All you need is... Barrierefreiheit
Wer ein bisschen verfolgt, was ich auf Twitter und / oder Facebook so schreibe, weiß, dass ich in den letzten 24 Monaten auf ein paar Bühnen dieser Stadt stand. Ich habe elf Jahre in Hamburg gelebt und stand auf keiner einzigen. Bühnen waren für mich immer ein Ort, zu dem ich nur mit großem Aufwand, wenn überhaupt, hinkomme. Ich war früher schon froh, wenn der Rollstuhlplatz im Publikum nicht in der letzten Reihe hinter einer Säule war. Die Zugänglichkeit der Bühne stand für mich gar nicht zur Diskussion. Ich hatte als Jugendliche mal gesehen, wie Wolfgang Schäuble bei einer Wahlkampfveranstaltung auf die Bühne gehoben wurde. Das wollte ich für mich nicht.
Dass Bühnen für mich wieder zu einer Option wurden, habe ich London und einer Verkettung mehrerer glücklicher Umstände zu verdanken. Der Kulturbetrieb insgesamt wirkt auf mich hier viel zugänglicher, aber ich habe mich dennoch nur sehr vorsichtig genähert. Sozialisation sucks!
Royal Festival Hall
Alles fing mit einem Flashmob-Chor an. Innerhalb eines Tages wurde geprobt und dann an drei Orten der Stadt gesungen – die Bühne war der öffentliche Raum, also barrierefrei. Dort lernte ich Lara Ruffle kennen, die mich fragte, ob ich nicht in ihrem Chor, der Lewisham Choral Society mitsingen möchte. Ich singe nicht besonders gut (aber war immer im Schulchor und kann Noten lesen) und so bin ich einfach hingegangen. Das erste Konzert war dann auch schon gleich in der Royal Festival Hall. Ausverkauft. Mit diesem Chor habe ich dann im gleichen Jahr auch bei den Paralympics gesungen.
In der Royal Festival Hall lernte ich, dass große Bühnen durchaus barrierefrei sein können. Der ganze Backstage-Bereich war barrierefrei und die Bühne konnte man hoch- und runterfahren. Ich bin, zusammen mit einem anderen Rollstuhlfahrer und einem gehbehinderten Mann im Chor (ja, ich war mal nicht die Einzige!), vorab auf die Bühne, diese wurde dann hochgefahren und so kamen wir stufenlos und ohne Probleme auf die Bühne.
Royal Albert Hall
Ende vergangenen Jahres meldete ich mich auf einen Aufruf, den ich über meinen „alten“ Chor bekam, ein Charity-Konzert in der Royal Albert Hall zu singen als Unterstützung eines großen Schulchores, der noch ein paar erwachsene Stimmen brauchte. Ermutigt durch die „Hebebühne“ der Royal Festival Hall, ging ich einfach hin und es war wieder kein Problem (nachdem ich das Bühnenmanagement davon überzeugt hatte, dass ich besser nicht oben auf einem Plateau mit zwei Stufen stehe). Die Hauptbühne ist barrierefrei, genauso der Backstage-Bereich. Auch in der altehrwürdigen Konzerthalle gibt es eine barrierefreie Toilette hinter der Bühne.
Abbey Road Studios
Anfang des Jahres habe ich den Chor gewechselt. Ich hatte einfach wieder Lust auf Rock statt auf Klassik und bin dem Rockchoir beigetreten. Dazu kam ich, weil mich wieder jemand fragte, ob ich nicht bei ihnen singen wolle, nämlich bei der Post-Olympic-Dance-Group, bei denen ich seit den Paralympics tanze – als einzige Rollstuhlfahrerin.
Musikinteressierten muss ich glaube ich nicht erklären, was die Abbey Road Studios sind.
Für den Rest: Es sind die wohl renommiertesten und bekanntesten Tonstudios der Welt. Die Beatles haben hier Alben aufgenommen, genauso wie Adele oder Pink Floyd. Ich war baff als ich erfuhr, dass mein Chor im April dort Aufnahmen machen wird. Wir hatten sogar den gleichen Toningenieur sowie den gleichen Flügel wie bei den Aufnahmen für „Skyfall“. Und es war einfach toll, sowas mal zu machen und die Akustik in den Studios ist Wahnsinn.
Das ist das Piano, auf dem „Lady Madonna“ gespielt wurde, ein Steinway Vertegrand Upright:
Seitdem die Plattenfirma EMI, der das Anwesen gehört, die Studios 2010 verkaufen wollte, hat die Regierung sie kurzerhand unter Denkmalschutz gestellt. Denkmalschutz und Barrierefreiheit verträgt sich auch in Großbritannien nicht immer gut und ich war doch etwas beunruhigt als ich mir am Abend vor der Aufnahme den Wikipedia-Eintrag durchlas und auf dem Foto sah, dass das Gebäude Stufen vor der Tür hat. Alle Sorge war umsonst. Auch die Abbey Road Studios haben einen ebenerdigen Eingang und so kam ich in die legendären Räumlichkeiten.
Und das ist das Ergebnis:
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Diese ganzen Aktivitäten gehen nur, weil so vieles um mich herum barrierefrei ist. Die Kirchen, in denen die beiden Chöre proben, die Tanzstudios, in denen meine Tanzgruppe trainiert. Sadler’s Wells zum Beispiel ist einfach atemberaubend barrierefrei – mit Rampen, Duschen, Toiletten und Evakuierungsplan für Rollstuhlfahrer. Nicht das Theater. Der Probenbereich! Wir proben in vier verschiedenen Studios in London. Alle sind barrierefrei (eines hat eine einzige Stufe). Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es barrierefreie Tanzstudios gibt. Sozialisation sucks!
So geht Inklusion. Ganz ohne Inklusionstanz.