Alles wie gehabt

Christiane Link

Ich bin gestern zum ersten Mal richtig Bahn gefahren in Großbritannien. Um es vorweg zu sagen: Es war ziemlich enttäuschend. Alles lief fast genauso ab wie bei der Deutschen Bahn – ziemlich nervtötend.

Ich hatte mich entschieden, zu einer Veranstaltung der Deutsch-Britischen Handelskammer nach Birmingham zu fahren. Morgens vermeldete der Verkehrsfunk aber bereits Staus überall und dann entschied ich mich, mit VirginTrains nach Birmingham zu fahren anstatt mit dem Auto. Auf der Internetseite wurde ich schon darüber aufgeklärt, dass man sich als Rollstuhlfahrer 24 Stunden vorher anmelden sollte. Das ist bei der Deutschen Bahn auch so und ich finde das eine Zumutung. Es sollte doch im Jahr 2008 möglich sein, auch als behinderter Reisender mal spontan von A nach B zu fahren.

Ich rief die Hotline trotz 20-stündiger Verspätung dennoch an. Dort blaffte man mich sofort an, dass ich eigentlich 24 Stunden vorher anmelden müsse. „Und was ist, wenn ich vor 24 Stunden noch nicht wusste, dass ich mit Ihnen fahren möchte?“, fragte ich die Dame. „Ja, dann nehmen wir Ihre Anmeldung dennoch entgegen. Aber ich kann für nichts garantieren.“ Welches Bahnunternehmen garantiert denn irgendwas? Das war mir neu. Naja egal, sie nahm meine Anmeldung auf. War dabei sehr nett und sagte mir dann noch, wo Behindertenparkplätze bei den Bahnhöfen sind etc. Das fand ich einen ganz guten Service.

Am Bahnhof angekommen, kaufte ich mir eine Fahrkarte für den Zug um 15:10 Uhr und ging zur Customer Information, um Assistenz zu bekommen. Und schon wieder blaffte mich ein Mitarbeiter an, ich habe mich nicht rechtzeitig angemeldet. Ich erklärte ihm, dass ich eigentlich mit dem Auto fahren wollte und sie sich doch mal freuen sollten, eine Neukundin gewonnen zu haben. Er hatte meine Anmeldung vorliegen, es gab gar keinen Grund mich anzublaffen, alle Angaben waren korrekt und ich wartete auf den Menschen mit der Rampe. Der kam auch und sagte: „Ich habe schlechte Nachrichten: Ich Zug wurde gecancelt.“ Sie würden mich auf den nächsten Zug umbuchen. Damit war die Anmeldung also sowieso für die Katz.

Wie an den Flughäfen werden die Abfahrtsgleise an Sackbahnhöfen immer erst kurz vor Abfahrt bekannt gegeben, damit die Leute nicht auf den Bahnsteigen rumstehen, sondern in der Wartehalle. Das hat für mich den Vorteil, dass ich ohne Eile einsteigen kann, denn die Assistenzleute wissen die Gleisnummer natürlich schon vorher. Der Einstieg der Fernzüge ist ähnlich bescheuert wie in Deutschland: Zwei hohe Stufen. Dafür ist er Einstieg per Rampe erheblich besser. In jedem Wagen, in dem es einen Rollstuhlplatz gibt, gibt es in einem Schrank eine Rampe, die man an die Treppe anlegen kann. Die ist stabil und es geht ruckzuck. Ich war also als Erste im Zug bis die Horden einfielen. Da der Zug davor ja nicht fuhr, waren also doppelt so viele Menschen im Zug wie Plätze da waren. Aber ich konnte nicht meckern, ich hatte ja einen Platz.

In einer Broschüre las ich dann, dass ich viel zu viel für mein Ticket bezahlt habe. Rollstuhlfahrer, die keinen Sitzplatz benötigen, zahlen nur einen reduzierten Fahrpreis. Hat mir natürlich niemand gesagt. In der Broschüre stand auch, dass Rollstuhlfahrer den Schaffner darauf hinweisen sollen, dass er am Ankunftsbahnhof Assistenz anfordert. Aber von einem Schaffner war angesichts der Überfüllung des Zuges nichts zu sehen.

Und so war ich dann auch wenig überrascht, dass in Birmingham niemand war, um mir die Rampe an den Zug anzulegen. Aber in solchen Fällen, ist ja auf die Briten Verlass: Die Leute, die einsteigen wollten, haben sofort einen Virgin-Mitarbeiter auf dem Bahnsteig gesagt, er soll eine Rampe holen und das ging ruckzuck.

Die Rückfahrt verlief anfangs problemlos. Der Zug war fast leer, die Leute am Customer Service in Birmingham sehr nett, aber wieder war kein Schaffner zu sehen. Wie kamen also in London Euston an und keiner war da. Ich schaffte noch, einem der wenigen Mitreisenden aufzutragen, im Bahnhof bescheid zu sagen, dass ich aus dem Zug will. Aber der Zug stand an der Endhaltestelle und nichts passierte. Kein Personal weit und breit und ich war relativ weit hinten im Zug, so dass ich auch den Lokomotivführer nicht erreichen konnte. Ich hatte dann nach 20 Minuten Angst, dass irgendwann jemand die Türen schließt und den Zug ins Depot fährt, es war ja schon spät. Auch vom Putzpersonal war nichts zu sehen. Ich stellte mich also an die Tür, eine Hand an der Wagentür, um das Schließen zu verhindern. Die andere am Handy. Es gelang mir nicht, die Telefonnummer des Bahnhofs rauszukriegen und so entschloss ich mich, 999 zu wählen. Die würden mich schon aus dem Zug holen. Dazu kam es aber gar nicht, weil plötzlich am Ende des Bahnsteigs ein kleiner Wagen auftauchte. Die Mitreisenden hatten wohl doch bescheid gesagt.

Die Leute von Nationalrail sagten, ihnen habe niemand etwas gesagt und die Leute von VirginTrains seien vor 30 Minuten nach Hause gegangen. Der Bahnhof war total ausgestorben als ich in der Halle ankam und die Mitreisenden hatten sicherlich einige Probleme, jemanden zu finden, dem sie sagen können, dass ich noch im Zug bin.

Ja, natürlich beschwere ich mich bei VirginTrains. Nur ich fürchte, das wird auf so unfruchtbaren Boden fallen wie bei der Deutschen Bahn. Transportunternehmen sind in vielen Bereichen nicht verpflichtet, das DDA umzusetzen, was mich tierisch ärgert. Ich habe in Deutschland Bahn fahren gemieden und werde das wohl hier auch so handhaben. Aber ich werde jetzt jeden Abgeordneten, dem ich begegne damit nerven, endlich die Transportunternehmen zur Barrierefreiheit nach DDA zu verpflichten und zwar umfassend.



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