„Die müssen in den falschen Flieger gestiegen sein“, dachte ich als ich die Gruppe munterer Seniorinnen sah, die auf den Flieger nach Hamburg warteten. Was hatten die bitte in Wien gemacht? Mir war nicht bekannt, dass Wien für seine Kegelbahnen bekannt ist. Irgendwie hatte ich nämlich die Vorstellung, es müsse sich um eine Kegelgruppe handeln, die eigentlich mit Air Berlin nach Mallorca wollte, aber dann das Gate verwechselt hat und jetzt den Rückzug antrat. Sie gafften mich jedenfalls an als hätte ich gerade alle Neune abgeräumt. Spätestens da war mir klar, die konnten nicht aus Hamburg kommen – wohl eher aus Pinneberg oder Plön oder so. Hamburger gaffen nicht.
In Wien wartet man, wenn das Flugzeug eine Außenposition (mit Bus zum Flugzeug und so) hat, nicht im Warteraum, sondern davor. Warum das so ist, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Erst kurz vor Abflug darf man in den Warteraum. Die Mitarbeiterin am Gate bot uns aber an, uns schon mal in den Warteraum zu setzen, was ich angesichts der Gaffermentalität meiner Mitreisenden gerne annahm. Als die rüstigen Seniorinnen aber merkten, dass zwar wir aber sie noch nicht im Warteraum Platz nehmen durften, probten sie den Aufstand – mit Erfolg. Die Damen durften sich ebenfalls in den Warteraum setzen.
Kurz darauf kam auch schon der Assistenzservice vom Flughafen Wien und fuhr uns zum Flugzeug. Ich setze mich auf den Bordrollstuhl um und sie trugen mich die Treppe hoch. Währenddessen kam der Bus mit den anderen Fluggästen an und der Kegelclub freute sich über diese unterhaltsame Einlage kurz vor Abflug. Da gabs dann nochmal was zu schauen.
Ich war totmüde, schlief während des Fluges und wachte erst wieder auf als wir schon in Hamburg gelandet waren. Ich dachte noch so bei mir: „Jetzt kann ich bald ins Bett.“ Es sollte anders kommen.
Am Flughafen Hamburg übernimmt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) den Assistenzdienst für behinderte Reisende, die wie ich nicht laufen können. Warum das so ist, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Schließlich bin ich nicht krank, sondern kann nur wegen der äußeren Umstände (Stufen, Gang zu eng) nicht selbstständig ins Flugzeug. Wir landeten um 22.55 Uhr wird man später im Protokoll der Airline lesen können, das über den Abend noch angefertigt werden sollte. Die Crew war sehr nett und wir warteten gemeinsam auf das DRK. Wir warteten, warteten, warteten. Der Pilot funkte, funkte und funkte immer wieder die Leitstelle an. Ohne Erfolg. Es wurde 23.05 Uhr, 23.10 Uhr. Die Rampenagentin gesellte sich zu uns. Ein Techniker kam. Es wurde eine gesellige Runde.
Der Pilot entschuldigte sich vielmals, sei nicht in der Verantwortung von Air Berlin. Ja, ich kenne die Gepflogenheiten am Flughafen Hamburg. Ich war nur froh, dass der Kegelclub endlich verschwunden war. Um 23.15 Uhr begann die Chef-Flugbegleiterin ein Protokoll zu schreiben. Ich hätte mich bereits beim Ticketkauf als WCHC-Passagierin (Fluggast, der nicht laufen kann) angemeldet und auch beim Sinkflug habe man den Flughafen über meinen Assistenzbedarf informiert.
Um 23.20 Uhr forderte der Pilot Hilfe durch die Flughafenfeuerwehr an. Die lag bereits im Bett und schlief. Von weitem konnten wir dann irgendwann erkennen, dass sich ein Auto in Bewegung setzte. Die Flughafenfeuerwehr war also wieder wach und kam. Sie brachten mich aus dem Flugzeug. „Wir haben kein Transportfahrzeug für die Passagierin“, sagte einer der Feuerwehrmänner zu der Rampenagentin. Klar, den Kleinbus für den Transport behinderter Fluggäste hat ja nur das DRK. Ich war zwar aus dem Flugzeug draußen, aber noch nicht im Terminal. Mein Angebot, zum Terminal zu rollen – über das Vorfeld – wurde natürlich abgelehnt. Man forderte einen Flughafenbus an. Das ist zwar ein Niederflurbus. Er hat aber keine Rampe. Also wieder Rumheberei. Die Rampenagentin war so nett, uns bis zum Terminal zu begleiten. Sie wollte die Zeit stoppen – fürs Protokoll und die Beschwerde. Um 23.33 Uhr – also fast 40 Minuten nach der Landung konnten wir unser Gepäck entgegen nehmen. Da war der Kegelclub wahrscheinlich schon in Pinneberg angekommen. Das DRK ist übrigens nicht mehr aufgetaucht an dem Abend.
Ein Kollege sagt immer zu mir: „Nehm Dich vor den Leuten in acht, die sich das Wohl der Menschheit auf die Fahnen geschrieben haben.“ Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.