Bitte vorwarnen

Christiane Link

Es ist „Global Entrepreneurship Week“ – also Existenzgründerwoche – und aus diesem Anlass finden in London diverse Veranstaltungen statt. Die British Library beispielsweise hatte Lord Alan Sugar zu Gast. Sugar ist ziemlich populär in Großbritannien und mir war klar: Das wird eine ausverkaufte Veranstaltung als ich die E-Mail mit der Einladung bekam. Also habe ich ratzfatz bei der Buchungshotline angerufen und zwei Karten reserviert. Ich habe bei der British Library einen Leseausweis und einen Kartenbestellaccount, weil ich nicht zum ersten Mal dort auf einer Veranstaltung war. Ich hatte Glück und bekam noch zwei Karten.

Da ich, wie gesagt, dort ein- und ausgehe, kannte ich auch den Saal, in dem das Ganze stattfinden sollte. Ich wusste, es gibt elektrische Türöffner, Platz für 1-2 Rollstühle in der ersten Reihe, Behindertentoiletten etc. Ideale Voraussetzungen also. Und so dauerte der Bestellvorgang auch nur 2 Minuten.

Als ich dann an dem Abend dort ankam, war ich überrascht: Die Rollstuhlplätze waren verschwunden und mit auf dem Boden installierten Stühlen ausgefüllt. Ich schaute mich etwas irritiert im Saal um. Da kam auch schon jemand vom Veranstalter hinter mir her und stotterte wenig freundlich rum. Dann sagte sie mit kräftiger Stimme: „Haben Sie uns darüber informiert, dass sie Rollstuhlfahrerin sind?“. Ich merkte, wie Ärger in mir aufstieg. Da haben die einen komplett barrierefreien Saal, bauen den um, um zwei Leute mehr in den Saal zu kriegen (dafür aber einen Rollstuhlfahrer weniger) und ich soll schuld sein? Also sagte ich in ähnlich bestimmtem Ton: „Ja, natürlich.“ Und ganz gelogen war es nicht. Die British Library fragt bei der Registrierung ab, ob welche besonderen Bedürfnisse man bei der Nutzung der Einrichtung hat. Und ich hatte schon vor Jahren natürlich angegeben, dass ich Rollstuhlfahrerin bin. Aber das hatte bei der Kartenbestellung wohl niemand abgefragt. Nun soll es also mein Fehler sein, dass ich nicht noch einmal explizit darauf hingewiesen habe? Ich fühlte mich „wahnsinnig willkommen“ in diesem Moment, dachte aber, es sei schlau, nicht rumzudiskutieren, sondern sie das selber auslöffeln zu lassen. Es würde niemand wagen, mich wieder nach Hause zu schicken. Das war mir klar. Ich wäre auch nicht wieder gegangen. Schließlich hatte ich zwei Eintrittskarten. Und das war ein vom Staat subventionierter Event. Die britische Regierung versucht händeringend, mehr behinderte Menschen zur Existenzgründung zu überreden. Also erwarte ich einfach, dass ich da willkommen bin – zumal sie mich ja nicht einmal überreden brauchten.

Das Auslöffeln bestand dann darin, einen Platz zu finden, wo ich stattdessen stehen sollte. Schließlich sollte ich den VIPs in der ersten Reihe nicht die Sicht versperren und die Sitze brauchte man auch alle für eben diese. Es gab eine ziemliche Rumrennerei seitens der Veranstalter. Ein Sitz wurde dann doch geopfert und ich konnte dem Schauspiel beiwohnen.

Natürlich gehe ich auch nächstes Jahr wieder hin. Auch um zu schauen, ob der Rollstuhlplatz nicht wieder zweckentfremdet wurde. Vielleicht haben sie durch die Rumrennerei ja gemerkt, dass das ein Event sein sollte, bei dem jeder Existenzgründer oder Inhaber willkommen sein sollte. Und willkommen fühlt man sich nur dann, wenn man nicht darum bitten muss, auch einen Platz zu bekommen.

Die Geschichte hat mich an meine ersten Tage bei BBC erinnert als für mich beim Einführungsseminar selbstverständlich ein Stuhl weggenommen wurde – bevor ich den Saal überhaupt gesehen hatte. Es ist nur eine kleine Geste, die aber einen großen Unterschied macht.



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