Ich bin unterdessen Profi, was den Umgang mit Behörden hier angeht. Wer in Deutschland in die Behörden-Schule gegangen ist, der meistert die britische Bürokratie mit Links. Ich habe derzeit zwei Anträge laufen: Einen Antrag auf Disability Living Allowance (DLA) und den „Access to work“-Antrag. DLA ist so etwas wie Blindengeld, nur dass es in Großbritannien jeder bekommt. Wer DLA bekommt, hat einen Status, der so ähnlich ist wie der deutsche Schwerbehindertenstatus. Das heißt, man ist automatisch qualifiziert bei anderen Anträgen etc.
Derzeit verhandele ich mit der „Access to work“-Behörde. Die wollten 1000 Sachen von mir haben. Haben sie alle bekommen. Das einzige, das ich nicht liefern konnte, war ein Attest. Mein GP (Hausarzt) hat sich nämlich geweigert eines auszustellen. Er kenne mich zu wenig. Als ich Türschwelle dieser Praxis das erste Mal hinter mir gelassen hatte, war mir schon klar, dass ich mit dieser Praxis noch viel Spaß haben werde. Aber ich kann den Arzt nicht wechseln, weil der einzige für meine Region ist. Mein Hinweis darauf, dass man ziemlich leicht feststellen kann, ob ich simuliere oder nicht, verhallte. Er wollte mir nichts bescheinigen.
Ich habe der Behörde das dann genauso mitgeteilt und ihnen folgendes angeboten: Ein englischsprachiges Attest aus Deutschland, eine Kopie meines deutschen Schwerbehindertenausweises, aus dem hervorgeht, dass ich 100% Prozent schwerbehindert bin, eine amtliche Übersetzung meines Bescheides, dass ich schwerbehindert bin. Alternativ bat ich sie, sich doch bitte selbst mit dem Arzt in Verbindung zu setzen oder mich zum Amtsarzt zu schicken. Die Reaktion war verblüffend. Sie wollten plötzlich keinen Attest mehr. Sie hatten nur noch eine Frage: Warum ich denn um alles in der Welt in Deutschland als 100% schwerbehindert eingestuft sei. Ich könne doch nur nicht laufen! Ich habe ihnen dann erklärt, dass das in Deutschland so klassifiziert sei. Dann haben sie mich gefragt, ob ich in Deutschland auch DLA bekommen hätte. Als ich ihnen sagte, dass es sowas in Deutschland nicht gibt, machte sich am anderen Ende der Leitung Fassungslosigkeit breit. Ich erklärte, dass es nur Blindengeld in Deutschland gibt und eine Pflegeversicherung. Aber dass es keinen Nachteilsausgleich in Form von Geld gebe, lediglich einen Steuerfreibetrag. Dann kam die nächste Frage: Warum denn in Deutschland nur die Blinden Geld bekämen und sonst niemand? Das war eine Frage, die ich ihnen nicht beantworten konnte.
Die DLA-Behörde wollte wissen, wie lange ich in das deutsche Sozialsystem eingezahlt habe. Mich würde mal interessieren, ob die sich ein Teil des Geldes aus Deutschland holen. Weiß das jemand? Dann müsste Deutschland indirekt doch DLA zahlen. Dass man dafür erst ins Ausland gehen muss…