Die Company's Policy

Christiane Link

Es hätte eigentlich ein guter Tag werden können. Die Sonne scheinte schien, ich hatte morgens einen Termin bei der London Development Agency, der ganz gut verlief, saß nachmittags im Café und habe an der 3. Ausgabe meiner Zeitung gearbeitet und freute mich abends auf eine Veranstaltung von Businesslink.

Ich war nachmittags von Waterloo über die Brücke nach Embankment gerollt und wollte so auch nach der Veranstaltung wieder zurück, um mit der U-Bahn nach Hause zu fahren. Waterloo ist im Gegensatz zu Embankment barrierefrei. Aber es fing im Laufe des Abends fürchterlich an zu regnen, die Straßen waren überflutet und ich überlegte, wie ich jetzt nach Hause kommen sollte. Der Weg nach Waterloo war viel zu weit, um ungeschützt im strömenden Regen über die Themsebrücke zu fahren. Wäre ich ans andere Ufer geschwommen, wäre ich genauso nass gewesen wie beim Weg über die Brücke.

In Embankment gibt es auch einen Anleger der Thames Clippers, ein Linienverkehr auf der Themse. Wir haben auch einen Anleger vor dem Haus und so entschied ich mich, mit dem Schiff nach Hause zu fahren. Das erschien mir als trockenster Weg. Das hatte ich schon x Mal gemacht – nur noch nie ab Embankment. Die Schiffe sind total barrierefrei, manche haben sogar barrierefreie Toiletten. Auch die Anleger sind zugänglich, manche haben einen total stufenlosen Einstieg, manche eine kleine Stufe ins Boot.

Ich ging auf den Anleger, es gab eine spezielle Wegführung für Rollstuhlfahrer, gut ausgeschildert. Ich hatte also nicht den Eindruck, dass keiner mit Rollstuhlfahrern rechnet oder diese nicht borden dürfen. Das Schiff kam sofort, doch die beiden Typen am Eingang machten mir klar, dass sie mich nicht mitnehmen würden. Ich war mehr als erstaunt. Sie sagten, der Anleger sei nicht barrierefrei, sie dürften mich nicht mitnehmen. Das war wirklich ein Witz, denn die Stufe in die U-Bahn ist teilweise höher als die ins Boot, was Transport for London dennoch nicht daran hindert, die Station als barrierefrei auszuzeichnen.

Hinter mir waren zwei Paare, die sich sofort einmischten und wild protestierten. Sie boten an, dass sie mir über die Stufe helfen. Das Boot lag bombenfest am Anleger, es war überhaupt nicht gefährlich. Aber die beiden Typen bestanden darauf, dass ich an Land bleibe. Ich war außer mir, erklärte ihnen, dass es regne wie verrückt, dass es keine barrierefreie U-Bahnstation in der Nähe gebe, ein Taxi bei dem Wetter ebenfalls nicht zu bekommen sei. Nichts zu machen. Sie wollten mich nicht mitnehmen. Dann mischte sich wieder ein Mann hinter mir ein und fragte, warum denn die Kinderwagen mitdürfen, die auf die gleiche Weise an Bord gehen wie ich, aber ich nicht. Schweigen auf der Bootseite. Und dann fiel einem der beiden die „Company’s Policy“ ein, die meine Mitnahme unmöglich mache. Ich fragte, ob ihm klar sei, dass er gerade gegen den Disability Discrimination Act verstoße? Die Antwort war verblüffend: Er würde mir die Mitnahme ja nicht verweigern, er würde mich ab einem anderen Anleger mitnehmen. Ich war unterdessen so sauer, dass ich ihn fragte, ob das bedeute, dass auch alle nicht behinderte Passagiere zum anderen Anleger laufen müssten, denn schließlich dürfe er mir ja einen schlechteren Service bieten wie allen anderen. Wieder Schweigen.

Und dann sagte der Kapitän, er lege jetzt ab. Die Passagiere protestierten, aber es war nix zu machen. Die ließen mich draußen stehen und ich hatte keine Ahnung, wie ich einigermaßen trocken nach Hause kommen sollte. Ich bin selten aus der Ruhe zu bringen, aber da war ich wirklich außer mir. Zumal die Situation war, wie sie war: Ich stand im strömenden Regen und kam nicht nach Hause.

Natürlich bin ich irgendwann doch nach Hause gekommen. Zusammen mit meinem Freund, der mit der U-Bahn angedüst kam, sind wir mit einem Vorstadtzug nach Hause gefahren von einem Bahnhof in der Nähe. Den hätte ich alleine aber nicht erreicht. Und jetzt bin ich gerade dabei zu recherchieren, wie ich Thames Clippers für diesen Abend mindestens so nass mache, wie sie mich gemacht haben. Aber ich bin sicher, mir wird da was einfallen.



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