Ich bin seit gestern in München auf dem DLD. War das vor zwei Jahren im Vergleich noch eine schnuckelige kleine Veranstaltung, ist sie jetzt riesig. Ich habe mich sehr gefreut, so viele nette Leute wieder zu treffen. Das war auch der Hauptgrund der Reise. Und das hat auch geklappt.
Aber ich bin dennoch zunehmend genervt, sitze auch gerade im Hotelzimmer, obwohl noch Veranstaltungen laufen. Erstens, die Veranstaltung ist total überfüllt. Das ist für alle nervig, für mich aber sowieso, weil ich nirgendwo durchkomme. Ich versuche gar nicht mehr einen Blick aufs Podium zu bekommen.
Alles fing gestern damit an, dass der Eingang, nicht wie 2006 im Hauptgebäude war, sondern in einem daneben. Ich bat, mir einen anderen Eingang zu öffnen, weil das Nebengebäude x Stufen hat. Niemand fühlte sich zuständig und der Sicherheitsmensch weigerte sich standhaft, die Tür zu öffnen. Ich solle es über den Lieferanteneingang probieren. Am Lieferanteneingang angekommen, wollte man von mir die liefernde Firma wissen. Ich wollte aber ja nur rein. Sie haben mich nach Diskutiererei dann dennoch rein gelassen. Dort angekommen, konnte ich weder die Registrierung noch die Garderobe erreichen. „Sie können ja jemanden losschicken“, sagte man mir. Ich weiß nicht, wieso die Leute immer meinen, dass ich eine Armee an Menschen um mich habe, die für mich sorgen.
Ein Bekannter hat mich dann registriert. Währenddessen stellten sich zwei Mitarbeiter neben mich und redeten über mich als sei ich nicht da. Ich habe sie dann angesprochen, ob sie über mich redeten und ob sie nicht besser MIT mir sprechen möchten. Ich habe dann darum gebeten, die Sicherheitsleute damit vertraut zu machen, dass barrierefreie Eingänge dafür da sind, Rollstuhlfahrer rein zu lassen und nicht weg zu schicken.
Später hat mir dann jemand mein Zeug von der Garderobe geholt. Heute nachmittag war das Mittagessen in Richtung der Garderobe ausgeschildert. Es machte mir nicht den Eindruck als könne ich diesem beiwohnen. Ich habe gar nicht erst versucht den Weg zu finden, sondern bin stattdessen einkaufen gegangen.
Kaum zurück vom Einkaufen bin ich in einen Vortrag der Skiathletin Karina Holekim geraten. Sie sprang von allen möglichen Bergen und fuhr beeindruckend Ski bis sie bei einem Fallschirmsprung 2006 abgestürzt ist. Sie hatte mehr als 20 Brüche an einem Bein und mehrere am anderen davon getragen und war neun Monate in Rehabilitation. Sie erzählte also von ihren Erfahrungen und was sie erlebt hat. Und dann sprach sie davon, dass sie immer dachte, entweder sie lebt oder ist tot, aber niemals etwas zu erleben, was dazwischen ist – im Rollstuhl zu sitzen.
Nur meine gute Kinderstube hat mich davon abgehalten durch den Saal zu rufen „Ich bin nicht tot, auch nicht ein bisschen“. Sie hätte den Ärzten nicht geglaubt, dass sie nicht wieder laufen kann und natürlich kam sie laufend auf die Bühne. Sie wolle den Leuten zeigen, dass man nur an etwas glauben muss blabla.
Es gibt wenige Dinge, durch die ich mich wirklich angegriffen fühle, aber sowas gehört dazu. Ich bin weder tot, auch nicht halb oder zwischen Leben und Tod und ich halte es für Schwachsinn, Menschen zu erzählen, dass sie in solchen Situationen nur richtig glauben und wollen müssen. Das passt aber natürlich prima in die Chakka Chakka-Kultur dieser Zeit.
Schön, dass sie wieder einigermaßen laufen kann und vor allem überlebt hat, aber das gibt ihr nicht das Recht, den Eindruck zu erwecken, dass solch ein Leben inakzeptabel sei. Es ist nicht schlimmer im Rollstuhl zu sitzen als an Krücken zu laufen oder zu humpeln. Es ist nicht einmal schlimm überhaupt im Rollstuhl zu sitzen. Schlimm sind ignorante Menschen und davon bin ich irgendwie in den letzten 24 Stunden definitiv zu vielen begegnet.