DNA to go

Christiane Link

Fast könnte man meinen, der DLD habe sich die angebliche Heilung der Welt als roten Faden ausgesucht. Ich befand mich schon auf dem Weg zum Flughafen als beim DLD 23andme vorgestellt wurde, ein amerikanisches Unternehmen, das für rund 1000 Dollar eine Genanalyse anbietet, auch für Europäer. Man schickt seine Speichelprobe in die USA und bekommt eine Genanalyse zurück, mit der man erfahren soll, wie wahrscheinlich es ist, diese oder jene Krankheit zu bekommen. Das Unternehmen nutzt die Daten zudem, um weitere Auswertungen vorzunehmen. Eine der Gründerinnen ist die Frau des Google-Gründers Sergej Brin. Google hat in das Untenehmen investiert.

Dass es einen Markt rund um unsere Gene gibt, hat mir zuletzt dieser Zeit-Artikel vor Augen geführt. Es wäre also falsch zu sagen „Das nutzt eh keiner“. Allerdings tue ich mir dennoch schwer, Menschen zu verstehen, die dieses Angebot wahrnehmen und bejubeln. Manche Reaktionen auf die Bekanntgabe des Services wirken auf mich als hätten Journalisten und andere Kommentatoren im Geschichtsunterricht durchgehend gefehlt. Es geht hier um die Perfektion der Gene des Menschen, die Aufteilung in Spreu und Weizen. Für nichts anderes werden die Daten der Leute, die auch noch dafür bezahlen diese Informationen zur Verfügung zu stellen, genutzt. Da wird über die wirtschaftlichen Hintergründe gejubelt ohne über die ethischen Fragen nachzudenken. Hauptsache, der Rubel rollt.

Was mich zudem besorgt ist die Frage, wie Menschen mit den Ergebnissen umgehen. Es ist immer nur von einer Chance die Rede, die die Leute haben. Was ist das denn für eine Chance, wenn ich weiß, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranke? Alzheimer ist nicht heilbar. Und was ist mit dem Recht auf Nichtwissen der nächsten Angehörigen? Wenn sich also die Tochter testen lässt, aber die Mutter auf ihr Recht des Nichtwissens beharrt? Und ist nicht eine Humangenetische Abteilung einer Uniklinik für Familien mit einer Disposition für eine bestimmte Erkrankung eine bessere Anlaufstelle als solch ein Unternehmen?

Ich weiß aber, wer sich ebenfalls über das Angebot freuen wird: Die Versicherungskonzerne. Die minimieren mit Angeboten wie diesen ihre Risiken. Wer weiß, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent an Alzheimer erkranken wird, darf sich schon mal von dem Gedanken verabschieden, eine private Krankenversicherung oder eine Lebensversicherung zu bekommen. Dafür werden die Versicherungen sicher bald sorgen und die Frage „Haben Sie schon mal einen Gentest vornehmen lassen?“ wird sich bald im Antragsbogen finden. Oder sie zahlen den Gentest gleich selbst, quasi als Prämie für den Versicherungsabschluss (falls er dann anschließend überhaupt zustande kommt).

Mir macht diese Entwicklung Angst. Der größte Wert der Menschheit ist für mich, dass die Menschen so unterschiedlich sind wie sie sind. Was hier aber versucht wird ist, die Menschen nach „gesund“ und „krank“, nach „gut“ und „böse“ einzuteilen und an ihre DNA für wirtschaftliche Interessen zu gelangen. Und dafür sollen die Menschen auch noch selber bezahlen – immer in der Grundannahme, eine gute Prognose zu bekommen. Sonst klappt das ja nicht mit dem Gentest als Statussymbol.



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