Drei Monate London

Christiane Link

Heute auf den Tag genau bin ich drei Monate in London. Am 5. Dezember 2006 habe ich meine Wohnung bezogen. Zeit, ein bisschen Bilanz zu ziehen:

  • Es war genau die richtige Entscheidung nach London zu gehen. Ich habe in den Monaten hier schon so viel erlebt, da hat sich jeder Stress bei der Wohnungssuche oder mit Behörden gelohnt.
  • Das Wetter ist erheblich besser als ich es erwartet habe. Es regnet selten länger als zwei Stunden und ich habe die Sonne bislang nicht vermisst, weil sie so oft zu sehen ist.
  • Ich fühle mich hier sehr angenommen und akzeptiert. Das ist nicht zuletzt meinen Kollegen von BBC geschuldet, aber auch den Leuten auf der Straße, denen ich begegne. Ich muss nichts mehr selber organisieren, weil erstmal die Barrierefreiheit gecheckt werden muss. Es fällt keine Doppelbelastung an. Es gibt Leute, die dafür bezahlt werden, mir behinderungsbedingten Orgakram abzunehmen. Es gibt auch keine Diskutiererei über die Barrierefreiheit. Es wird als normale Anforderung hingenommen und wenn Barrieren da sind, wird das ehrlich bedauert.
  • Ich muss meinen Tag nicht mehr danach ausrichten, wann ich wo das nächste Loo aufsuchen kann. Es gibt einfach genug Behindertentoiletten – Starbucks und dem britischen DDA sei dank.
  • Und weil das alle fragen: Ja, London ist teuer. Aber wenn man sich das Umrechnen in Euro abgewöhnt und nicht noch 500 Euro im Monat ansparen will, lebt es sich dennoch entspannt. Das Gehalt kommt ja Gott sei Dank in Pfund.
  • Und dennoch fange ich an, Dinge an Deutschland zu schätzen, die mir zu Hause nie aufgefallen wären. Z.B. dass es einen gesellschaftlichen Konsens zu bestimmten Themen gibt, den es in anderen Ländern so stark nicht gibt. Oder auch, dass Deutschland wirklich einen guten Ruf hat. Auch wenn die Briten noch so viele Witze über Deutsche machen. Ich glaube, Deutschland ist im Ausland beliebter als wir das selbst wahrnehmen.
  • Was ich an Deutschland zunehmend weniger mag, ist der Umgangston. Der hat mich in Deutschland nie gestört, fällt mir aber jetzt jedesmal auf, wenn ich irgendwo anrufe. Heute wollte ich jemanden in die Sendung einladen und habe bei diversen Großunternehmen angerufen. Mir gefror fast das Ohr so frostig und unhöflich behandelten die mich. Nicht alle, aber viele. Das ist bis auf wenige Ausnahmen weltweit anders. Da bleibt jeder freundlich, auch wenn er nicht in die Sendung will.
  • Ich mag die britische Kultur immer mehr. Und auch, dass in London jeder irgendwo anders herkommt und klasse die Londoner damit umgehen. Hier stört sich niemand am Akzent des anderen und alle kommen irgendwie klar.

Kurzum: Ich fühle mich hier sauwohl.



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