Europäischer Protesttag

Christiane Link

Heute ist der Europäische Protesttag für die Gleichstellung behinderter Menschen. Jedes Jahr am 5. Mai versuchen die Behindertenverbände das mediale Interesse auf ihre Forderungen zu lenken – meist mit mässigem Erfolg. Zudem erheben sich dann auch Politiker aus den hinteren Bänken, um wenigestens einmal im Jahr ihr behindertenpolitisches Engagement auf der To-Do-Liste abzuhaken.

Ich halte mich durchaus für behindertenpolitisch gut informiert, aber dass es einen „Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Menschen mit Behinderungen und Sozialhilfeempfänger“ (das ist der offizielle Titel!) gibt, war mir bislang neu. Schön auch, dass man Synergieeffekte nutzen möchte und Jörg Rohde – so heißt der Volksvertreter – behinderte Menschen und Sozialhilfeempfänger gleich gemeinsam betreut. Behinderte Menschen arbeiten ja eh nicht und kriegen Geld vom Staat – oder was soll dieser Titel aussagen?

Da passt es auch ganz gut, dass Herr Rohde zum 5. Mai fordert, den Kündigungsschutz für behinderte Arbeitnehmer abzuschaffen. Über den Kündigungsschutz kann man ja diskutieren. Aber vielleicht besser in einem anderen Rahmen? Und nicht, ohne sich vorher ausgiebig informiert zu haben. Darüber zum Beispiel, ob der Kündigungsschutz nicht doch wichtig ist, wenn Menschen erst im Laufe ihres Berufslebens behindert werden und jemand nach einer Krankheit oder einem Unfall weiter beschäftigt werden möchte. Nicht alle Arbeitgeber empfangen den ehemals nicht behinderten Arbeitnehmer wieder mit offenen Armen, wenn er plötzlich blind, gehörlos, chronisch krank oder im Rollstuhl sitzt. Und Herr Rohde sollte sich auch darüber informieren, dass der Kündigungsschutz in erster Linie besagt, dass behinderte Arbeitnehmer nicht ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden dürfen. Das heißt aber im Umkehrschluß, behinderte Menschen dürfen sehr wohl gekündigt werden. Das Integrationsamt stimmt in der großen Mehrheit der Fälle der Kündigung sogar zu – und zwar laut Gesetz innerhalb eines Monats. Wenn man sich überlegt, dass diese Kündigungsregelung vielleicht dazu führt, dass ein Dachdecker, der vom Dach fällt und anschließend querschnittgelähmt ist nach Rücksprache mit dem Integrationsamt weiter im Büro der Firma arbeiten kann, regt mich die Regelung nicht wirklich auf.

Ich hätte mir von der FDP gewünscht, dass sie mal die wirklichen Einstellungsbarrieren behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt diskutiert: Bauliche Barrieren und Barrieren in den Köpfen potenzieller Arbeitgeber. Der Kündigungsschutz wird häufig vorgeschoben, wenn man nicht zugeben will, dass man Berührungsängste oder Vorurteile hat und sich deshalb gegen den behinderten Bewerber entscheidet. Schafft man den Kündigungsschutz ab, erreicht man vielleicht, dass die Ausreden blöder werden. Nur damit ist ja niemandem gedient.



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