Was für ein Tag! Was soll man erwarten, wenn man wieder nur wenige Stunden geschlafen hat und der Tag um 5 Uhr mit Übergeben anfängt? Aber danach war dann auch schon wieder alles okay. Mein Magen signalisiert mir vielleicht nur, dass das wenige Schlafen und das scharfe Essen jetzt nicht so ganz seine Sache ist. Der Fahrer zum Flughafen kam (wie immer) zu spät, aber wir hatten genug Zeit eingeplant. Inlandsflug mit Jet Airways stand auf dem Programm. Abflug: Domestic Airport Bangalore. Die Strecke, die der Fahrer fuhr war interessant. Wir fuhren nämlich durch nicht mehr so aufgeräumte Gegenden, kamen an Slums vorbei und sahen Kühe, die zwischen den Buden sowas wie grasten, wenn es denn dort Gras gebe. Der Domestic Airport glich einem Lagergebäude aus Wellblechwänden. Nur wer abfliegt, darf hinein. Da wir elektronische Tickets hatten, konnten wir nicht nachweisen, dass wir berechtigt waren, das Flughafengebäude zu betreten. Beim Ticketschalter außerhalb des Gebäudes sagte man uns, wir sollten einfach reingehen. Da hatte aber ein grimmiger Herr in beiger Uniform etwas dagegen. Er schickte uns wieder zurück. Ich ignorierte ihn und bin durch. Nach viel Diskutiererei (sehr verbreitete Beschäftigung hier) waren wir alle drin. Hinterher fragte ich mich, ob der Typ einfach Geld von uns wollte.
Beim Check-In bekamen wir Plätze in der Economy zugewiesen. Die Business war wohl doppelt belegt. Wir waren aber froh überhaupt Bordkarten in den Händen zu halten. Ich konnte, wie bisher auch, mein Gepäck als Handgepäck mitnehmen. Überhaupt musste man nach der Option des Einckeckens von Gepäckstücken erst fragen. Mein Rollstuhl bekam nach mehrfachem Hinweisen darauf einen Anhänger und ich ging durch die Sicherheitskontrolle. Eine Frau checkte mich per Hand. Dann wurde wieder so ein Mensch in beiger Uniform auf mich aufmerksam. Wieder Diskutiererei. Er wollte, dass der Rollstuhl gescannt wird. Ich bot ihm an, noch einmal durch den Metalldetektorbogen zu fahren. Das wäre natürlich völlig sinnlos gewesen, ich dachte mir aber, das sei die Lösung und der Mann hatte seine Wichtigkeit bewiesen. Mitnichten! Er bestand darauf, den Rollstuhl über die Handgepäckkontrolle zu schicken. Ich machte ihn auf das Kamel-durchs-Schlüsselloch-Problem aufmerksam. Ohne Erfolg. Ein Vorgesetzter kam. Und noch einer. Und alle wollten, dass der Rollstuhl gescannt wird. Ich wies sie darauf hin, dass das eine ziemlich sinnfreie Aktion sei – 10 Kilo Metall durchleuchten? Womit ich nicht gerechnet hatte: Sie wussten das. Aber aus Delhi sei befohlen worden, jedes Gepäckstück zu scannen, das in Bangalore verladen wird – ob sinnvoll oder nicht. Ansonsten könne ich nicht mitfliegen.
Also gut, ich baute den Rollstuhl auseinander und klappte ihn zusammen. Erst wurden die Hinterräder einzeln durchgeschickt, dann sollte der Rest kommen. Und – oh Wunder – der Rest passte nicht durch das Handgepäckgerät. Ich hatte einen anderen Journalisten gebeten, den Rollstuhl samt Teile nicht aus den Augen zu lassen. Irgendwann verschwanden sie und kamen wenig später gut gelaunt zurück. Sie hatten ein größeres Gerät gefunden. Ich baute den Rollstuhl wieder zusammen und dann ging es auch schon los. Sie brachten mich und eine Kollegin als erstes zum Flugzeug. Vor dem Ausgang standen viele Busse, aber unser Begleiter führte uns zielstrebig an den Bussen vorbei. Sie hatten ja auch Stufen. Er hatte sich überlegt, dass wir jetzt einfach zum Flugzeug laufen, das auf dem Vorfeld stand. Und so wanderten wir zum Flugzeug, mussten aufpassen, dass uns nicht ein LKW mit Containern mitnimmt oder ein Pilot uns übersieht. Es war wirklich verrückt. Ich ahnte unterwegs, dass sie keinerlei Konzept hatten, um mich ins Flugzeug zu kriegen. So war es auch. Wir kamen am Flugzeug an. Es standen zwei Treppen davor und der Mitarbeiter der Fluggesellschaft schaute mich fragend an. Ich fühlte mich an die „Sendung mit der Maus erinnert“: Das ist die Christiane. Die Christiane kann nicht laufen und muss jetzt aber in das Flugzeug. Wie macht die das?
Ich fragte nach einem Bordrollstuhl (Aisle chair). Sie kannten die Vokabel gar nicht. Der Mitarbeiter schlug dann vor, mich in meinem eigenen Rollstuhl ins Flugzeug zu tragen. Sofort waren 10 Packer zur Stelle und sie trugen mich wie auf einer Senfte ins Flugzeug. Aber damit hatte ich ja noch nicht den Sitz erreicht. Der Rollstuhl ist ja viel zu breit für den Flugzeuggang. Die Crew machte den konstruktiven Vorschlag, es mit Laufen zu versuchen. Ich erklärte, dass das leider nicht zur Disposition stand und erntete erstaunte Gesichter. Ich machte den Vorschlag, ein Hinterrad zu entfernen und es so zu versuchen. Die Packer hielten den Rollstuhl auf drei Rädern und so kam ich in die letzte Reihe. Aber dort sollte ich nicht sitzen bleiben. Wegen des Notausgangs. Die machten mich wahnsinnig. Ich erklärte, eine Reihe weiter zu klettern und dann sei Schluss. Mein letztes Wort. Wer da sitzt, hat Pech gehabt. So machten wirs.
Dann gab es wieder Diskutiererei, ob der Rollstuhl an Bord dürfe. Auch das ginge nicht. Wie sich später herausstellte, war die Maschine mit Handgepäck derart überladen, dass es wirklich nicht gegangen wäre. Kein Schrank war frei und ich hatte mein Handgepäck auf den Knien. Also schickte ich eine Kollegin nach unten, sie solle den Rolli so lange bewachen bis die Ladeluke verschlossen bleibt. Gesagt, getan. Wir hoben ab – bis auf dem letzten Platz gefüllt in einer Bestuhlung nach Ryanair-Manier. Das Frühstück lehnte ich ab. Ich hatte weder Platz noch Lust auf indisches Curry zum Frühstück.
Dann kam die Landung in Delhi. Ich hatte immerhin eine Stunde schlafen können und zwischendurch nach unten gesehen. Der Himmel war fast wolkenlos. Aus dem Flugzeug kam ich so wie gehabt. Es gab auch in Delhi keinen Bordrollstuhl am Domestic Airport. Nachdem wir fast eine Stunde in richtiger Hitze auf den Fahrer gewartet haben, bin ich jetzt im Hotel und so schnell kriegt mich da heute auch keiner mehr raus.