Roberts Eintrag und die verlinkte Initiative gegen Querschnittlähmung sowie die Kommentare machen mich kopfschüttelnd. Bitte, kann man in Deutschland mal das Thema Behinderung behandeln ohne Mitleid zu versprühen und Behinderung als etwas zu beschreiben, das unbedingt bekämpft werden muss? Ich bin jetzt seit mehr als einem Monat in Großbritannien und ich glaube, es war der erste Monat meines Lebens (meine USA-Aufenthalte ausgenommen), in dem mir kein einziger Mensch begegnet ist, der mich offensichtlich bemitleidete. Und das obwohl ich jeden Tag mit Kreti und Pleti im Bus durch die halbe Stadt gurke und manchmal Leute anspreche, ob sie mir in den Bus helfen können, wenn die Rampe sehr steil ist. Können wir das in Deutschland vielleicht auch mal trainieren? Hilfsbereitschaft ohne Mitleid. Fände ich großartig!
Sowas bringt uns auf diesem Weg allerdings nicht weiter:
„Es ist mein Ziel, mit STAND UP allen Querschnittgelähmten neue Hoffnung zu geben. Die Hoffnung auf mehr Freiheit, Selbständigkeit und Lebensqualität. Ich bin mir sicher, dass wir ausbrechen können aus der Gefangenschaft des Rollstuhls und nicht nur unsere Gedanken in Bewegung setzen, sondern unsere Arme und Beine. Wir werden wieder spüren, wie es ist, selbständig einen Schritt zu machen.“
Wenn ich so etwas lese, kommt mir als stolze Besitzerin einer Querschnittlähmung die Galle hoch. Ich fühle mich frei, ich bin selbstständig und ich habe ein hohes Maß an Lebensqualität, auch ohne einen Schritt zu gehen. Ich bin in meinem Rollstuhl nicht gefangen, sondern er gibt mir Mobilität. Ich liebe es, durch die Stadt zu rasen, über Bordsteine zu hüpfen und manchmal zerlegt es mich auch mal, so wie gestern als ich in der Regent Street an einer Kante hängen blieb. So what?
Es gibt derzeit keine Heilung für Menschen mit einer Querschnittlähmung und je länger jemand gelähmt ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er irgendwann einmal durch den medizinischen Fortschritt wieder laufen kann. Seit ich denken kann, erzählen die Medien, Ärzte und andere Besserwisser, dass es in „rund 10 Jahren“ ein Mittel gegen Querschnittlähmung geben wird. Ich bin jetzt 30 und das „rund“ scheint mir sehr dehnbar.
Ich kann mich für diese Initiative überhaupt nicht begeistern. Eine Initiative für Barrierefreiheit würde mir mehr bringen. Die Initiative behindert mich, weil sie meine Lebensqualität in Frage stellt und den Rollstuhl als Gefängnis beschreibt. Wie soll da gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht werden, wenn die Querschnittgelähmten nur die armen Hascherln sind, die geheilt werden müssen? Behinderung ist nicht per se etwas Schreckliches, das bekämpft werden muss. Wer das kapiert, gewinnt an Lebensqualität und behandelt jemanden, der eine Behinderung hat, wirklich gleichberechtigt.