Klein und hilfsbedürftig

Christiane Link

Die Netzeitung hat Rupert Platz von der Agentur Aperto zu Barrierefreiheit interviewt. Die Agentur hat im vergangenen Jahr eine goldene Biene für barrierefreies Webdesign gewonnen. In dem Interview steht zumindest für Leute, die sich schonmal mit Barrierefreiheit im Internet befasst haben, nicht wirklich neues. Aber das macht ja nix. Es gibt ja auch noch Leute, die nicht wissen, worum es geht. Deshalb finde ich solche Interviews durchaus nützlich und nicht wertlos.

Aber was hat den Herrn denn geritten sich wie folgt zitieren zu lassen:

„Behinderte sind nur eine Gruppe von vielen, die auf Web-Barrieren stoßen – allerdings auch eine besonders kleine und hilfsbedürftige. Daher hat sich der Gesetzgeber auf sie bezogen, als er 2002 alle staatlichen Websites auf Bundesebene zur Barrierefreiheit verpflichtet hat.“

Behinderte Menschen sind eine kleine und hilfsbedürftige Gruppe? Deshalb hat der Gesetzgeber das Behindertengleichstellungsgesetz geschaffen? Könnte es nicht vielleicht sein, dass es um gleichberechtigte Teilhabe in dem Gesetz geht und gerade nicht um Hilfsbedürftigkeit?

Und dass es um eine kleine Gruppe geht, möchte ich auch bezweifeln. Außerdem geht es in dem Gesetz nicht nur um das Internet, sondern um Barrieren in allen Lebensbereichen. Das ist ein Gesetz für Menschen mit Behinderungen. Der Gesetzgeber hat sich keinesfalls nur „auf sie bezogen“.

Weiter erzählt Herr Platz seine Meinung zum Begriff „Barrierefreiheit“: „Der Begriff ‚Barrierefreiheit‘ ist da auch missverständlich, man assoziiert das ja gleich mit Rücksichtnahme gegenüber Minderheiten, mit einer Art virtuellen Rollstuhlrampe am Seiteneingang, und genau darum geht es eben nicht.“

Ähm, darum geht es aber auch beim Begriff Barrierefreiheit gerade nicht. Nach Definition im Gesetz, wäre die Rampe am Seiteneingang nicht barrierefrei, sonders es geht um den Zugang zu einem Gebäude „in der allgemein üblichen Weise“. Nix Seiteneingang. Und um „Rücksichtnahme gegenüber Minderheiten“ geht es auch nicht. Es geht um die gleichberechtigte Teilhabe einer bestimmten Gruppe in der Gesellschaft. Seit dem Sozialgesetzbuch IX und dem Behindertengleichstellungsgesetz geht es gerade nicht mehr um die armen Behinderten, die Hilfe brauchen, sondern es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Zumindest war das Absicht des Gesetzgebers und so kann man es auch – für deutsche Verhältnisse deutlich – im Gesetzestext lesen.

Ich finde, dafür hat Aperto aber einen fetten Abzug in der B-Note verdient. Barrierefreiheit hat nämlich viel mit Einstellung zu tun, nicht nur mit Programmieren. Aber die nächste Biene-Runde steht vor der Tür. Vielleicht kann das die Jury ja berücksichtigen.



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