Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu schmieden.

Christiane Link

John Lennon hat mal gesagt: „Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu schmieden.“ Wie recht er hatte! Egal, was ich gerade mache, plane oder mir vornehme, es kommt alles immer ganz anders, wie ich mir das vorher überlegt habe. Ich nehme mir Sachen vor, die schon nach 24 Stunden nicht mehr relevant sind, ich führe die besten Interviews mit Menschen, mit denen ich eigentlich gar nicht reden wollte, über Themen, von denen ich keine Ahnung habe. Ich gehe auf Partys, auf die ich gar nicht gehen wollte, und habe den größten Spaß.

Gerade sitze ich in einem Frankfurter Hotel in meinem alten Sopur-Rollstuhl (Insider erinnern sich vielleicht an die Zeit als Sopur noch cool war, ja, es ist lange her und der Rollstuhl dementsprechend alt). Mein Proactiv-Rollstuhl, der mir sieben Jahre treue Dienste geleistet hat und so gut wie nie Reparaturen hatte, ist mir gestern buchstäblich unterm Hintern zusammen gebrochen. Eine Achse ist gebrochen und die Stange am Rückenteil.

Nun muss ich zugeben, dass diese Entwicklung durchaus voraussehbar war. Sieben Jahre ist für meine Rollstühle ein geradezu biblisches Alter. Keiner meiner Rollstühle hat bislang länger als fünf Jahre in meinen Diensten gestanden. Schon im März ist mir beim Tanzen eine wichtige Schraube gebrochen und eine USA-Reise, die ich am nächsten Tag antreten wollte, stand auf Messers Schneide. Aber ich bin damals doch in San Diego angekommen und ein netter Fahrradladenbesitzer hat ihn repariert.

Am Tag vor der USA-Reise fragte mich eine Freundin, ob ich mit ihr in die Kensington Roof Gardens auf eine Party gehe. Auch wenn das defintiv der x zu vielste Event war, auf dem ich dieses Jahr war und ich mir vorgenommen hatte, an dem Abend früh ins Bett zu gehen, habe ich zugesagt, war aber zu faul, anzurufen und zu fragen, ob es barrierefrei ist. Ich dachte mir, 6. Stock, da stehen die Chancen gut, dass es einen Aufzug gibt. Es gab nicht nur einen Aufzug, es gab diverse und einen Hublift am Eingang.

Es gab Türsteher, die super nett und zuvorkommend waren, den Hublift bedient haben etc. Dann kam ich oben an und ein Mitarbeiter passte mich ab und sagte mir, ohne dass ich darum gebeten hatte, das Wichtigste über die Barrierefreiheit der Location: Wo die barrierefreie Toilette ist, wie ich in den Garten komme und dass ich jederzeit einen Mitarbeiter um Hilfe bitten kann. Da war ich ja schonmal baff über so viel Gastfreundlichkeit. Dann nahm er mir meine Jacke ab, damit ich nichts ins Gedränge an der Garderobe musste. Super nett!

Kensington Roof Gardens ist wahrscheinlich einer der besten Orte, um in London eine Party zu feiern. Es ist nicht nur sehr nett (eine Gartenlandschaft über den Dächern Londons), sondern auch noch barrierefrei, obwohl es viele Ebenen gibt. Aber es gibt Rampen, auch ins Partyzelt. England ist wirklich genial, was so etwas angeht.

Ich hatte jedenfalls einen super Abend. Die Live-Band war spitze und ich habe stundenlang getanzt und hatte Spaß. Als ich wieder zurück nach draußen wollte, merkte ich, dass sich die Einzelteile meines Rollstuhls selbstständig machten. Eine ziemlich wichtige Schraube war gebrochen. Der Kopf war einfach abgefallen. Verschleiß und Tanzen verträgt sich nicht.

Nun war das Problem, dass das Seitenteil daduch in meinem rechten Rad hing. Diverse Partygäste begannen, sich auf die Suche nach etwas zu machen, womit man die Schraube provisorisch ersetzen konnte. Es war wie im Film. Ein Mann entdecke Gartendraht und klaute diesen aus den Blumen. Unterdessen kam der Manager, der wiederum den Haustechniker rief, der sofort begann, den Rollstuhl zu reparieren. So gut es eben ging, mit Gartendraht. Also eine Party-Location, die um Mitternacht noch einen Techniker hat, der Rollstühle repariert, hat mich schwer beeindruckt und ich habe mich auch 1000 Mal bedankt. Britischer Pragmatismus pur! Die Leute waren alle so freundlich und hilfsbereit und machten gar kein Aufhebens darum. Man wollte mir einfach nur helfen.
Die Reparatur hielt nicht einmal bis zur U-Bahnstation. Die Freundin, die mich mitgenommen hatte, schob mich, da der Rollstuhl kaum noch fuhr. Von der U-Bahn habe ich mir dann ein Taxi nach Hause genommen. Und von dort am nächsten Tag mit dem Auto zum Flughafen und in den USA direkt in den nächsten Fahrradladen.

Gestern ist der Rollstuhl aber so gebrochen, dass man ihn maximal mit Schweißen reparieren könnte, wenn überhaupt. Ich habe bereits (okay, nicht bereits, aber dann doch mal) im Mai einen neuen Rollstuhl bestellt und dieser hatte vor zwei Wochen sogar schon einen Liefertermin, der aber nicht eingehalten wurde. Und nun hängt meine Terminplanung (fast hätte ich „Leben“ geschrieben) der nächsten Tage (hoffentlich nicht Wochen) in den Händen von Proactiv (das ist die Rollstuhlfirma, die gerade cool ist). Ich hoffe, die sind sich dessen bewusst und liefern den neuen Rollstuhl schnell. Am besten vorgestern. Dann könnte ich von Frankfurt nach Hamburg düsen und den Rolli abholen. Vielleicht sogar noch diese Woche. Oder nächste. Aber ich plane das mal lieber nicht. Geht ja eh wieder schief.



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