Ein Grund, warum ich Großstädte schon als Kind toll fand war ihre bessere Barrierefreiheit im Vergleich zu den Käffern, in denen ich aufgewachsen bin. Und Großstädte auf der ganzen Welt sind unterdessen, das ist meine Erfahrung, auch im Rollstuhl gut zu erobern – mal besser, mal schlechter. In London gibt es diesbezüglich Licht und Schatten.
Öffentliche Verkehrsmittel:
Um es vorweg zu sagen: Die U-Bahn ist die Pest. Von den 275 Stationen sind, ich schätze mal, 60 barrierefrei, was nicht bedeutet, dass es einen stufenlosen Einstieg in die Bahn gibt, sondern, dass man stufenlos zum Gleis kommt. Die meisten barrierefreien Stationen liegen am Stadtrand, in der Innenstadt ist kaum eine Station barrierefrei. Was gut funktioniert, ist offensichtlich die Reparatur der Fahrstühle. Ich bekam bislang immer die Info, um wieviel Uhr der Fahrstuhl wieder gehen wird. Bis 2025 will London 2/3 seiner Stationen barrierefrei umbauen, kann man im Papier „Transport vision for a growing world city“ nachlesen, das gerade veröffentlicht wurde.
4 von 5 Bussen in London haben bereits Rampen. De facto bin ich aber noch keinem nicht barrierefreien Bus begegnet. Mit dem Ende der Routemaster dürfte sich das Problem erledigt haben. Ich komme mit den Bussen gut klar. Auf der Seite von London Transport steht, dass kein Bus die Garage verlassen darf, wenn die Rampe nicht funktioniert. Es scheint mir, dass dem wirklich so ist. Ich bin in den letzten Wochen wirklich viel Bus gefahren in London. Nie waren die elektronischen Rampen defekt. Allerdings haben sie auch andere als bei uns. Man muss aber auch sagen, Routine haben die Busfahrer mit dem Prozedere nicht wirklich. Weil man als Rollstuhlfahrer die hintere Tür benutzen muss und nicht nach vorne kommt, um zu bezahlen, muss man für die Busfahrten kein Ticket lösen. Für die U-Bahn zahlt man ganz normal.
Was für blinde Menschen und auch für mich als Ortsfremde ein Problem ist: Die Haltestellen werden nicht angesagt, nicht mal angezeigt. Man muss immer andere Leute fragen, wo man gerade ist. Allerdings sind die Londoner sehr hilfsbereit diesbezüglich. Aber es nervt trotzdem.
Mit den Zügen habe ich bislang auch gute Erfahrungen gemacht. Die, die ich gesehen habe, hatten nur eine Stufe und es gab eine mobile Rampe, die angelegt wurde. Da es an den großen Bahnhöfen auf den Gleisen Personal gibt, habe ich mich bislang auch nie angemeldet und es klappte dennoch.
Toiletten:
Wer den deutschen Behindertentoilettenstandard nach DIN gewöhnt ist, findet ausländische Behindertentoiletten meist unpraktischer. Dafür gibt es sie dann wenigstens in höherer Anzahl. Viele Restaurants in London haben Behindertentoiletten und es gibt, ähnlich wie in Berlin, öffentliche vollautomatische Toiletten, die auch barrierefrei sind.
Es gibt aber ein Phänomen in England, das ich etwas nervig, aber auch lustig finde. Der Händetrockenpustautomat hängt ganz oft über den Haltegriffen. Wenn man sich also abstützen will, wird man angepustet, weil die Dinger automatisch angehen.
Restaurants:
Ganz viele Restaurants sind barrierefrei zu erreichen. Viele haben Rampen nachgerüstet, wenn sie in alten Gebäuden sind, haben ein bisschen Beton aufgekippt etc. Ich habe auch schon einige Restaurants mit Rollstuhltoilette gesehen, insbesondere Restaurantketten.
Hotels:
Das klassische „Bed & Breakfast“ kann man knicken – nix mit Barrierefreiheit. Auch kleine Hotels sind eher wenig barrierefrei. Aber, da ist es wie in Deutschland, die Hotelketten sind schon eine gute Wahl. Ich habe mit Express by Holiday Inn ganz gute Erfahrungen gemacht. Die sind bezahlbar (für Londoner Verhältnisse) und eröffnen gerade stadtweit ein Hotel nach dem anderen. Die Zimmer sind wirklich barrierefrei, es gibt Sprachausgaben in den Fahrstühlen, die Beschriftung ist tastbar und es gibt visuelle Alarmmelder.
Straßen:
Als ich während meiner Schulzeit in London war, war kaum ein Bürgersteig abgeflacht. Jetzt sind es fast alle. Zudem gibt es viele taktile Bodenplatten, die blinden Menschen den Weg zu den Übergängen weisen. Es könnte allerdings mehr Blindenampeln geben.
Informationsschalter:
Es gibt fast überall Induktionsanlagen für Hörgeräteträger – am Ticketschalter, im Hotel, an der Supermarktkasse. Zudem gibt es meist ein Schalter, der niedriger ist, so dass Rollstuhlfahrer auf Augenhöhe mit den Leuten reden können.
Zusammenfassend:
Also, ich denke, man kommt in London zurecht. Aber man muss sicherlich Kompromisse machen und ein wenig improvisieren. Was die Sache wirklich erleichtert ist, dass sie Barrierefreiheit nicht diskutieren. Da wird gewartet, bis die Rampe draußen ist. Es läuft jemand zum Fahrer, wenn der pennt und die Rampe nicht rausfährt etc. und die Londoner wissen, um ihre Barrieren und versuchen nicht künstlich noch zusätzlich welche aufzubauen, ist mein Eindruck. Und wenn sie die U-Bahn wirklich barrierefreier machen, wäre das ein riesen Gewinn.