Michael J. Fox und die Stammzellenforschung

Christiane Link

Es ist heute eines der meist gesehenen Videos auf YouTube: Michael J. Fox setzt sich in einem Video für Stammzellenforschung ein. Er hat Parkinson und das sieht man in dem Video sehr deutlich.

Entdeckt habe ich das Video bei Thomas Knüwer, der ihn „Held aus der Vergangenheit“ nennt. So sehe ich ihn auch. Er war mal ein Held. Ich habe ihn auch als Teenie super gefunden. Jetzt ist er aber kein Held mehr für mich.

In den Kommentaren dort stoßen Kritiker der Stammzellenforschung mit Befürwortern aufeinander. Das lässt mich relativ kalt. Es wird immer Menschen geben, die die Realität kaum aushalten und dann sagen „Da muss es doch was geben“. Was mich viel mehr ärgert ist, dass mit Mitleid versucht wird, ein politisches Ziel zu erreichen. Wie sollen behinderte Menschen ernst genommen werden, wenn sich ein Schauspieler hinsetzt und signalisiert, sein Leben sei bemitleidenswert und deshalb müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, das zu ändern?

Mehr als eine Million Menschen haben das Video unterdessen gesehen. Ganz gleich, was man von Stammzellenforschung hält, dieses Video schadet Menschen mit Behinderungen. Weil es auf Mitleid setzt, nicht auf Argumente. Michael J. Fox ist seit seiner Erkrankung völlig von der Bildfläche verschwunden und taucht jetzt wieder auf und nutzt den Effekt, um sich für eine angeblich gute Sache einzusetzen.

Aber noch etwas finde ich ganz spannend: Ein Kommentator kritisiert die Stammzellenforschung und prompt antwortet jemand „Ich glaube, man denkt automatisch anders darüber, wenn man selbst betroffen ist.“ Tsja, so einfach ist die Sache halt nicht. Es gibt viele behinderte Menschen, die gegen die Stammzellenforschung sind und es gibt natürlich auch viele, die dafür sind. Wer ist in der Mehrheit? Keine Ahnung. Ich kann mich aber gut daran erinnern als Christopher Reeve starb und die deutschen Medien schrieben, er sei ein Held für behinderte Menschen gewesen und das stimmte so einfach nicht. Ich habe das in den USA ganz anders wahrgenommen: Die Behindertenbewegung dort hat sich zunehmend gegen Reeve und seine Therapiefantasien gestellt, weil sie unrealistisch waren und auch er teilweise mit Mitleid spielte.

Ich habe Reeve einmal live erlebt als er in Hamburg einen Preis bekam. Das war niemand, mit dem ich mich identifizieren konnte. Er sprach immer von Heilung. Ich fand das völlig abgedreht. Er war zwar wie ich auch querschnittgelähmt, konnte sich aber bei weitem weniger bewegen, wurde beatmet und hing an x Maschinen. „Wenn schon für mich eine Heilung so weit weg und unrealistisch ist, wie kann er mit einer noch viel komplexeren Behinderung dann davon reden, dass er wieder geheilt wird?“, habe ich mich gefragt. Und ich muss sagen, deshalb sind Christopher Reeve und Michael J. Fox für mich keine Helden. Ich habe bei beiden das Gefühl, sie kämpf(t)en gegen ihre Behinderung. Damit kann ich nichts anfangen. Helden wären sie vielleicht, wenn sie sich wirklich für die Verbesserung der Lebensbedingungen behinderter Menschen weltweit einsetzen würden. Die Stammzellenforschung hilft, wenn überhaupt, nur einer kleinen previligierten Gruppe in was weiß ich wie viel Jahren und das auch noch zu einem hohen Preis. Und Menschen, die auf Mitleid setzen, sind für mich keine Helden, egal für was sie sich einsetzen.

Update: Unterdessen hat irgend so ein Trottel in den USA behauptet, Michael J. Fox schauspielere nur oder habe seine Medikamente nicht genommen. Da kann man mal sehen wie wenig die Menschen über Behinderungen wissen.



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