Mit Gewalt zum Ziel

Christiane Link

Als ich heute morgen im Zug nach Euston saß, dachte ich noch, ich müsse mal darüber bloggen, wie gut das derzeit mit Silverlink klappt. Zwar hat noch niemand wirklich auf mein Beschwerdeschreiben reagiert, außer dass mir Silverlink immerhin nach zwei Wochen den Eingang desselben bestätigt hat. Aber ich hatte in den vergangenen Tagen keine Probleme und es war auch immer jemand da. Aber bekanntlich soll man denn Tag nicht vor dem Abend loben. Ich wollte ja noch zurück heute abend.

In den vergangenen Tagen schien morgens immer die Sonne und abends war ich oft irgendwo anders und bin nicht über Willesden Junction nach Hause gefahren. Wenn die Sonne scheint ist das Rampe aufs Gleis bringen auch nicht so unangenehm als wenn es regnet. Und heute abend regnete es. Und wie! Ich hatte schon eine leise Vorahnung, dass in Willesden niemand sein wird. Trotz Voranmeldung. Ich hab das langsam im Gefühl. Und prompt als der Zug einfuhr, war weit und breit niemand da. Es war für mich unmöglich mit dem gebrochenen Rad aus dem Zug zu springen und auch Tragen war mir zu riskant. Es war durch den Regen spiegelglatt und ich hatte Angst um das Rad, wenn die mich nicht wirklich sanft absetzen. Und zudem war ich richtig sauer. Diese Wut nutzte ich, um zu verhindern, dass der Fahrer die Türen schloss. Das versuchte er mehrmals. Aber ich hielt gemeinsam mit einer Frau die Türen offen. Ich wollte ja raus und nicht weiter nach Watford fahren. Ich schaffte es, Leute zu überreden zum Fahrer zu gehen und zu sagen, dass er jemanden mit Rampe herbeitelefonieren soll. Die Briten sind wirklich ein hilfsbereites Volk. Währenddessen hielt ich die Tür gewaltsam offen. Es war ein großartiges Schauspiel.

Eine Silverlinkmitarbeiterin war unter den Fahrgästen und sie versuchte panisch mit ihrem Handy jemanden in der Station zu erreichen. Es ging auch jemand ans Telefon. Der fühlte sich aber nicht zuständig. Natürlich! Mir fielen die schönsten britischen Schimpfwörter ein, die ich aber für mich behielt. Eine Frau sagte mir, dass sich zudem die Mitarbeiter, die eben noch auf dem Gleis standen, verdrückt hätten. Ich hatte plötzlich Unmengen an Kraft diesen Zug anzuhalten. Ich war einfach stinksauer.

Irgendwann kam der Fahrer herbeigeeilt. Er konnte ja nicht fahren mit den von uns blockierten Türen. Dann versuchte er auch per Handy jemanden zu erreichen. Und dann kam endlich der Stationsmanager, der bislang immer Dienst hatte, wenn irgendwas schief ging. Zufall? Wohl kaum. Er war ganz überrascht, dass ich es geschafft hatte, den Zug zu stoppen. Der hat immernoch nicht begriffen, dass ich das Spiel in jedem Fall gewinne. Der Fahrer diskutierte mit ihm rum. Ich war längst draußen. Als ich am Fahrstuhl wartete, hörte ich wie ein Mitarbeiter der U-Bahn empört angerannt kam. Auf dem gleichen Gleis fahren nämlich die Züge der U-Bahn ein – jedenfalls dann, wenn da kein Zug von Silverlink dauerparkt. Durch die nicht vorhandene Rampe waren also nicht nur die Züge von Silverlink verspätet, sondern auch die der Bakerloo Line. Das roch nach Ärger, der weit über Silverlink hinausgehen könnte. Und ich war darüber nicht wirklich unglücklich. Ich konnte sie noch schimpfen und diskutieren hören als ich oben ankam. Und ich bin mir sicher: Morgen steht da jemand mit Rampe – morgens und abends.



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