Scandic Hotels - nicht perfekt aber auf gutem Weg zur Barrierefreiheit

Unternehmen, die mit Barrierefreiheit werben und versuchen, behinderte Kunden anzusprechen, haben bei mir eigentlich schon gewonnen. Es ist so selten, dass behinderte Kunden als Zielgruppe erkannt werden, dass ich mir schwer tue aus lauter Verbundenheit noch irgendwo anders hinzugehen als zu denen, die mich als Kundin wertschätzen.

Ich bin jetzt zum zweiten Mal im Scandic Hotel am Potsdamer Platz. Scandic ist eine skandinavische Hotelkette, die ein umfassendes Konzept zur Barrierefreiheit in ihren Häusern etabliert hat und damit auch wirbt. PR-mässig hat sich das in jedem Fall schon ausgezahlt – immerhin berichtete unter anderem CNN über das Konzept. Aber wie sieht das nun in der Praxis aus? Alles nur Werbung?

Das Problem ist natürlich, das sei vorweg bemerkt, wenn ein Unternehmen damit wirbt, besonders barrierefrei, besonders familienfreundlich, besonders umweltfreundlich oder was auch immer zu sein, dass man umso mehr auf die Mängel achtet, die dann doch in dem jeweiligen Bereich herrschen, die einem bei einem anderen Unternehmen vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Dennoch dachte ich, es sei gut, meine Erfahrungen mal zu bloggen – vielleicht um auch andere Hotels anzuregen, sich mal ihr eigenes Haus mal genauer anzuschauen.

Die Ankunft

Am Eingang gibt einen Nebeneingang mit einem elektronischen Türöffner, so dass man gar nicht durch die Drehtür muss. Das Hotel wirbt mit dem Konzept „Design für alle“. Warum also kein Eingang für alle? Blinde Menschen würden den Nebeneingang erst einmal gar nicht so einfach finden.

Die Begrüßung an der Rezeption war vorbildlich. Die Rezeptionistin wies mich sofort darauf hin, dass der Tresen am Ende niedriger ist und zog mit mir dahin um. Das lässt auf eine gute Schulung des Personals schließen. Außerdem sind diese niedrigen Tresen in Hotels nicht selbstverständlich und sind sehr angenehm für mich als Rollstuhlfahrerin.
Dann fragte sie mich, ob sie die Türverankerung aushängen lassen soll. Ich wusste erst einmal gar nicht was sie meint. Als ich am Zimmer ankam, verstand ich es.

Der Weg zum Zimmer

Ich würde es mit „unproblematisch“ zusammenfassen, aber es gibt ein Aber. Ein Hotel, das damit wirbt, barrierefrei zu sein, sollte kein Gedöns wie Aschenbecher und Glaselemente vor den Aufzugrufknopf stellen. Wenn ich mich schon vorbeugen muss, um dran zu kommen, ist der Knopf für jemandem im E-Rolli eher schlecht zu erreichen. Blinde Menschen laufen auch gerne mal in so etwas rein.

Super sind die gewählten Bodenbeläge, denn sie sind extrem rollfreundlich. Nichts ist schlimmer als dicker Teppichboden in Hotels. Darauf rollen weder Rollstühle noch Koffer gut.

Ein weiterer Punkt, der mir im Lift auffiel: Vogelgezwitscher im Fahrstuhl und eine Sprachausgabe mit der Stockwerksansage vertragen sich nicht. Man hört nämlich die Stockwerksansage nicht mehr gut, vor allem wenn sie so leise ist wie hier.

Das Zimmer

Ach du meine Güte, gebe es einen Preis für die schwergängigsten Hoteltüren der Welt – Scandic Hotel Potsdamer Platz, der Preis wäre Deiner. Diese Türen sind nicht nur für behinderte Hotelgäste eine Zumutung, sondern für jeden. Dieser Bügel, der die Tür automatisch ins Schloss fallen lässt, ist so stark eingestellt, dass man die Tür nur schwer öffnen kann. Doof mit Kindern, doof mit Koffern, doof im Rollstuhl. Dem Hotel ist das Problem offensichtlich bekannt, sonst hätte die nette Rezeptionistin nicht gefragt, aber Design für alle ist nicht „Wir hängen für die Rollstuhlfahrer die Türsteuerung aus“.

Hotelzimmer

Das Zimmer sonst ist großzügig. Es gibt Lichtsignalanlagen für gehörlose Kunden und elektrisch verstellbare Betten. Das Bett kann man im Rollstuhl nur von einer Seite aus anfahren. Das ist nicht ideal, aber absolut Standard in barrierefreien Zimmern und für mich nicht so tragisch – wenn da nicht die Fernbedienung wäre… Als ich in mein Zimmer kam, lief der Fernseher und man forderte mich auf, die „OK“-Taste der Fernbedienung zu drücken für die Hotelinformationen. So weit so normal. Aber die Fernbedienung lag so, dass ich sie niemals alleine erreicht hätte ohne aufs Bett zu steigen und auf die andere Bettseite zu klettern. Das war mir dann aber doch zu viel Aufwand.

Der Gang an einer Seite des Bettes ist zu schmal, um mit dem Rollstuhl durchzupassen. Ich rief also die Putzfrau, die glücklicherweise vor meiner Tür putzte und ließ mir die Fernbedienung geben. Genau das gleiche Problem hatte ich bereits vor einem Jahr als ich schon mal im Scandic-Hotel übernachtet habe.

Mein persönliches Highlight in meinem Zimmer ist allerdings die Stehlampe. Ich kenne sicher fast 1000 barrierefreie Hotelzimmer auf der ganzen Welt – noch nie irgendwo sonst habe ich eine Stehlampe im Zimmer gehabt, die ausschließlich mit dem Fuß zu bedienen ist (oder wenn man sich aus dem Rollstuhl lehnt, aber das fällt für mich nicht unter die Kategorie „barrierefrei“).

Stehlampe

Das Bad

Die Badausstattung ist ziemlich gehoben, aber ebenfalls Standard, was barrierefreie Hotelbäder angeht. Lustig fand ich, dass das Hotel mir im Bad irgendein Angebot macht – am Spiegel. Welches das ist, kann ich Euch nicht sagen. Ich kann es nicht lesen, es hängt viel zu hoch. Auch hat man eine handtuchwaschtechnische Botschaft an mich. Die kann ich ebenfalls nicht lesen, weil sie für mich unerreichbar ist. Ich ahne angesichts meiner Hotelerfahrung allerdings, dass es darum geht, Handtücher zu sparen und so.

Resüme

Keine Frage, Scandic hat definitiv das Thema Barrierefreiheit im Blick. Ich finde vor allem das Personal sehr gut geschult, was sowieso immer die halbe Miete ist. Allerdings unterscheiden sich die Zimmer kaum von anderen barrierefreien Zimmer in dieser Preiskategorie, wenn man vom elektrisch verstellbaren Bett absieht. Und wie immer steckt der Teufel im Detail. Die Fernbedienung gehört nicht auf den nicht erreichbaren Nachttisch und die Stehlampe mit Fußbedienung gehört gar nicht ins Zimmer. Es sind die Kleinigkeiten, die wie so oft den Unterschied zwischen gut und sehr gut ausmachen. Scandic ist sicher auf einem guten Weg. Aber es geht noch viel besser.