Wie barrierefrei ist London?
Update: Aus diesem Blogeintrag ist unterdessen eine eigene Webseite entstanden: London barrierefrei.
Eigentlich sollte dieser Blogeintrag schon vor Monaten erscheinen, um ehrlich zu sein, noch vor den Olympischen Spielen. Ich wollte schon länger eine Liste mit den wichtigsten Dingen aufschreiben, die man in Bezug auf London und Barrierefreiheit wissen sollte, da ich immer mehr Anfragen dazu bekomme. Hier ist also die ultimative Liste mit dem, was man über London und seine Barrierefreiheit wissen sollte (neue Punkte sind fett markiert):
Allgemein
- London ist barrierefreier als sein Ruf.
- Planung schadet aber dennoch nicht.
- Es gibt viel mehr barrierefreie Toiletten als auf dem Kontinent. Auch in Einrichtungen, in denen man als Kontinentaleuropäer keine barrierefreie Toilette vermuten würde, gibt es oft eine. Einfach fragen!
- Der Euroschlüssel, den man auf dem Kontinent hat und der einem Zugang zu Behindertentoiletten gibt, heißt hier Radarkey und sieht anders aus. Bestellen kann man ihn hier.
- Alle Ampeln in Großbritannien sind barrierefrei. Unterhalb des gelben Kastens gibt es einen Kegel, der sich dreht. Auf dem Boden befinden sich taktile Platten, um die Ampel auch für blinde Menschen auffindbar zu machen.
- Es ist gesetzlich verboten, behinderte Menschen zu diskriminieren. Unternehmen, die es doch tun, machen sich schadenersatzpflichtig.
- Qualifizierte und gekennzeichnete Assistenzhunde dürfen daher in jede Einrichtung, jedes Geschäft oder Restaurant.
- An den meisten Kassen und Informationsschaltern gibt es Induktionsanlagen für schwerhörige Menschen. Einfach nach dem Ohr mit T-Symbol Ausschau halten und das Hörgerät auf T schalten.
- Viele Restaurantketten (z.B. Cafe Rouge, Nando’s oder Pizza Express) haben auch Speisekarten in Braille. Einfach nachfragen.
- Ich habe bei Foursquare diverse Listen mit barrierefreien Plätzen in London angelegt.
- Wer medizinische Hilfe benötigt, kann sich als EU-Bürger kostenfrei vom National Health Service behandeln lassen. Für Notfälle sind, wie in Deutschland, die Notaufnahmen (Accident & Emergency) zuständig, wer weniger dringend Hilfe braucht, kann sich an ein Walk-In-Centre wenden. Ich habe mit dem Walk-In Centre in Soho gute Erfahrung gemacht. Die können auch Rezepte ausstellen. Zur kostenlosen Behandlung EHIC-Karte nicht vergessen, sonst zahlt man 75 Pfund!
Öffentliche Verkehrsmittel
- Am schnellsten kommt man vom Flughafen Heathrow mit dem Heathrow Express in die Stadt. Billiger ist es aber mit der U-Bahn. Alle Stationen in Heathrow sind barrierefrei. Wer lieber mit dem Heathrow Express fährt und während der Fahrt den Rollstuhl nicht verlässt, kann für sich und eine Begleitperson eine ermässigte Fahrkarte kaufen (Disabled Discount). In dem Fall braucht man keine Disabled Railcard.
- Transport for London hat umfangreiches Kartenmaterial, das man sich an jedem Ticketschalter kostenlos geben lassen kann.
- Es gibt Karten in Großdruck, mit verschiedenen Kontrasten, Karten mit barrierefreien Toiletten und sogar einen akustischen U-Bahnplan.
- Dieses Material von Transport for London gibt es auch online.
- Alle Londoner Busse sind barrierefrei und haben Rampen, die automatisch ausfahren.
- Die meisten Rampen befinden sich an der hinteren Tür des Busses. Einfach dem Busfahrer ein Zeichen geben und er fährt sie aus.
- Rollstuhlfahrer zahlen in Londoner Bussen grundsätzlich nichts, egal ob Londoner oder nicht.
- Das gilt nicht für alle anderen Verkehrsmittel wie U-Bahn, DLR oder Overground.
- Eine Begleitperson ist in London in öffentlichen Verkehrsmittel nie frei. Am besten kauft man sich eine Oyster-Karte, lädt sie auf und fährt sie ab. Das ist am preiswertesten.
- Auf der Webseite von Transport for London kann man sich barrierefreie Verbindungen raussuchen lassen.
- Das geht auch telefonisch unter 0843 222 1234
- Außerdem hat die Organisation Transport for All, für die ich ehrenamtlich arbeite, umfangreiche Informationen online.
- Transport for All hat auch eine Hotline, an die man sich wenden kann, wenn man Hilfe bei der Planung braucht oder die einem hilft, wenn man ein Problem hat, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen: +44 20 7737 2339. Es gibt die Organisation auch auf Twitter unter @transportforall und Facebook Außer mir spricht da allerdings niemand Deutsch, also Anfragen bitte in Englisch stellen.
- Es gibt tolle Apps, die einem die Planung sehr vereinfachen. Nur eine kleine Auwahl: Mit Travel Deluxe kann man seine Route (barrierefrei) planen, Bus Checker zeigt an, wann der nächste Bus kommt (geht auch mit Voice Over) und Bus Mapper hilft einem, die passende Busroute zu finden.
- Londons U-Bahnsystem ist nur bedingt barrierefrei. London hat 270 Stationen, davon sind derzeit 66 stufenlos per Rampe oder Lift zugänglich.
- Seit den Olympischen Spielen gibt es an manchen Stationen so genannte Platform Humps, also Bahnsteigerhöhungen, z.B. in Green Park Station, Earl’s Court (Piccadilly Line) und Brixton. Unbedingt die Beschilderung an den Stationen dazu beachten.
- Außerdem gibt es manuelle Rampen, die an den Zug angelegt werden können, an manchen Stationen. Derzeit sind das: Hammersmith, King’s Cross St. Pancras, West Ham, Westminster, Southfields, Wimbledon, Earl’s Court, Fulham Broadway, Stratford, Woodford, Oxford Circus, Queen’s Park, Edgware, Morden, Finchley Central und Stockwell. Einfach einen Mitarbeiter an der Startstation ansprechen, auch wenn man die Rampen nur an der Zielstation braucht. Die funken die Kollegen dann an.
- Stationen, die mit einem weißen Rollstuhlfahrer-Symbol gekennzeichnet sind, haben eine große Stufe in die Bahn, aber zum Bahnsteig kommt man stufenlos.
- Stationen, die ein blaues Rollstuhlfahrer-Symbol haben, haben einen ebenerdigen Einstieg in die Bahn.
- Der Osten Londons ist erheblich barrierefreier als der Westen.
- Alle Stationen der Docklands Light Railway (DLR) sind barrierefrei und haben einen fast ebenerdigen Einstieg.
- Zu fast allen Stationen fahren auch Busse. Allerdings dauert die Fahrt mit dem Bus wegen des dichten Verkehrs oft ewig.
- Ist ein Lift an einer Station defekt und gibt es keine direkte Alternative per Bus, zahlt Transport for London ein von ihnen gebuchtes Taxi. Einfach beim Stationsmanager melden.
- Transport for London hat diverse Videos produziert, die erklären, wie man in London barrierefrei voran kommt.
Taxis
- Alle London-Taxis (Black cabs genannt) sind barrierefrei. Das heißt, sie haben Rampen, die angelegt werden können. Die Türen kann man aushängen, so dass sich die Türöffnung vergrößert.
- Alle Taxis haben zudem eine ausklappbare Stufe, um den Einstieg für gehbehinderte Menschen zu erleichtern. Manche haben einen drehbaren Sitz.
- Taxifahrern droht Lizenzentzug und/oder ein Bußgeld, wenn sie einen wegen eines Assistenzhundes oder aufgrund der Behinderung nicht mitnehmen wollen.
- London hat derzeit zwei Taxi-Apps, die ich beide empfehlen kann: Hailo und GetTaxi. Ich persönlich nutze Gettaxi.
Mit dem Auto nach London
- Wer seinen Londonaufenthalt nicht im Auto verbringen möchte, dem rate ich dringend davon ab, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Es staut immer und überall.
- London hat furchtbar komplizierte Parkregeln für behinderte Menschen, die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind. Wer es dennoch versuchen will, dem empfehle ich den Blue Badge Parking Guide für London. Da stehen alle Regelungen drin – allerdings muss man selber rausfinden, in welcher Gemeinde man sich gerade befindet.
Unterkunft
- Es gibt zahlreiche Hotels mit barrierefreien Zimmern. Hilfreich ist es, wenn das Hotel auch an einer barrierefreien U-Bahnstation ist oder zumindest relativ zentral liegt.
- Ich habe gute Erfahrungen mit den Ketten Holiday Inn Express und Premier Inn gemacht. Im oberen Preissegment ist es gar kein Problem, barrierefreie Hotelzimmer zu finden.
Kultur
- Viele kulturelle Einrichtungen bieten spezielle Angebote für behinderte Menschen. Museen bieten so genannte „Touch tours“ an, es gibt Theatervorstellungen mit Untertitel, in Gebärdensprache oder mit Audiodeskription. Wann und wo es diese Vorführungen gibt, kann man bei Access London Theatre nachsehen.
- Manche Einrichtungen bieten Rabatt für Menschen mit Behinderungen an. Manchmal ist die Begleitperson auch frei, aber nicht immer. Einfach fragen.
- Die meisten großen Theater und Einrichtungen haben ein so genanntes „Accessibiliy Statement“ auf ihrer Webseite, wo sie erklären was sie für Barrierefreiheit tun, wohin man sich wenden muss, wenn man die Rollstuhlplätze reservieren möchte oder welchen Service sie sonst noch anbieten, was sehr hilfreich ist vor dem Besuch.
- Die meisten Sehenswürdigkeiten sind barrierefrei. Selbst historische Gebäude wurden, wenn es irgendwie möglich war, barrierefrei umgebaut. English Heritage hat eine gute Übersicht über Barrierefreiheit ihrer Sehenswürdigkeiten auf der Webseite.
Sprache
- Die Briten sind sehr hilfsbereite Menschen und fragen eher einmal zu viel als einmal zu wenig. Es ist aber kein Problem, das Hilfsangebot mit „No, thank you. I’m fine“ abzulehnen.
- Wenn man um etwas bittet oder sogar etwas fordert, sollte man das dennoch, wenn möglich, immer als Frage formulieren („Could you open the ramp, please?“).
- Das Wort „handicap“ ist im Englischen verpönt. In Großbritannien wird es in Bezug auf behinderte Menschen so gut wie gar nicht mehr genutzt. Richtig ist „disability“ oder „disabled“.
Viel Spaß in London!
Die Liste wird weiter ergänzt, wenn mir noch weitere Punkte einfallen, die mir wichtig erscheinen.