Heute: Hausgemachte Probleme durch Kunden lösen lassen.
Der Buchhandel stöhnt ja bekanntlich über die Konkurrenz aus dem Internet. Ich kann das gut verstehen, ich möchte auch nicht unbedingt Buchhändler sein in Zeiten von Amazon & Co. Wenn ich aber auf der Suche nach einem Buch bin und nicht genau weiß, was ich möchte, gehe ich doch ganz gerne zum Buchhändler um die Ecke. Und wenn ich Beratung brauche, tue ich das auch. Denn das ist wirklich ein Feld, mit dem der Buchhändler um die Ecke noch punkten kann – wenn er die geeigneten Mitarbeiter hat jedenfalls.
Der nächste Buchladen ist in einem Einkaufszentrum hier um die Ecke und geht über zwei Stockwerke. Es gibt zwar keinen Fahrstuhl im Geschäft, aber außerhalb im Einkaufszentrum. Während nicht behinderte Kunden also problemlos zwischen den Stockwerken wechseln können, kann ich das nicht. Nun hatte ich mir einen Reiseführer bestellt, der bei Amazon mit sechs Tagen Lieferzeit angegeben war – zu lange also, da wir ja am Samstag abfliegen. Der Buchladen konnte das Buch immerhin innerhalb von zwei Tagen besorgen.
Die Abholung für bestellte Bücher ist im 1. Obergeschoss. Die steuerte ich auch direkt an. Außerdem wollte ich ein Buch kaufen, das ich als Geschenk brauchte. Auch die Geschenk-Einpackstation ist im 1. Obergeschoss am gleichen Tresen. Ich sagte der Verkäuferin also, dass ich den Reiseführer bestellt habe und zudem das andere Buch als Geschenk wolle. „Das Buch gibt es im Erdgeschoss.“ Ich schaute sie fragend an. Ich wollte mich nicht zweimal an der Kasse anstellen (einmal oben, eimal unten, weil ich mit dem unbezahlten Buch den Laden nicht verlassen kann), um dann wieder nach oben zu kommen, um das Buch einpacken zu lassen. „Wir haben keinen Fahrstuhl und zudem sind wir personell dünn besetzt“, sagte sie und schaute meine Begleitung auffordernd an. „Er könnte ja…“. Ich fiel ihr ins Wort: „Er ist blind, sie müssten das Buch schon hochschicken lassen.“ Das könne keiner bringen, meinte sie. Sie müsse schon selber gehen, sagte sie als hätte ich ihr Marathon verordnet. Die ganze Debatte dauerte bereits länger als das Holen des Buches dann insgesamt an Zeit kostete. Sie ging dann tatsächlich selbst, die Angelegenheit dauerte vielleicht drei Minuten. Ich wollte in dem Laden fast 50 Euro lassen und hatte dennoch das Gefühl, richtig lästig zu sein.
Ich hasse es, wenn Unternehmen ihre eigenen Unzulänglichkeiten – in diesem Fall kein Fahrstuhl und zu wenigen Personal – die Kunden ausbügeln lassen. Abgesehen davon, dass meine Begleitung keine bezahlte Assistenz ist, sondern mein Lebensgefährte, sind auch (bezahlte) Assistenten behinderter Menschen nicht dafür da, der deutschen Wirtschaft zu assistieren, sondern den behinderten Menschen. Es passiert mir andauernd, dass die Leute meiner Begleitung oder sogar wildfremden anderen Kunden Anweisungen geben, was sie zu tun haben: „Gehen Sie doch bitte in den Saal und machen den Rollstuhleingang auf“, „Laufen Sie doch bitte zu meiner Kollegin und holen Sie den Schlüssel“, „Geben Sie der Dame das mal, sonst muss ich mich so über den Tresen beugen.“ etc.
Wenn jemand in der Umkleidekabine steht und von dem Verkäufer eine andere Größe verlangt, sagt der ja auch nicht zur Begleitung, die davor wartet: „Suchen Sie ihrer Frau mal die Jeans eine Nummer kleiner.“ Wer würde in so einem Laden wieder eine Jeans kaufen? Deshalb sieht mich der Buchladen jetzt auch erstmal nicht wieder.