Nach einem netten Abend in einem italienischen Lokal wollte ich mit dem Bus nach Hause fahren. Aber beim ersten Bus, der kam, war die Rampe defekt. Da die Bushaltestelle, an der ich wartete, kaum einen Bürgersteig hatte, musste ich auf den nächsten Bus warten. Der Einstieg war viel zu hoch und es war zudem niemand in der Nähe, der mir reinhelfen konnte. Ich war aber noch guten Mutes, denn es war heute in London frühlingshaft mild. Der nächste Bus kam ewig nicht. Irgendwann kam dann doch einer. Ich wollte an der Busstation Hammersmith umsteigen und den Bus nach Hause nehmen. Da die Fahrt unterdessen doch schon etwas länger dauerte, wollte ich möglichst schnell nach Hause. Es war bereits fast Mitternacht. Ich hatte das Lokal gegen 22.30 Uhr verlassen.
In Hammersmith kam der Bus relativ zügig, aber wieder war die Rampe defekt. Jedenfalls behauptete das der Busfahrer. Ich war mir nicht sicher, ob es überhaupt probiert hatte, denn den Warnton, dass die Rampe ausfährt, hatte ich nicht gehört. Es war aber nicht so tragisch, denn in Hammersmith sind die Bürgersteige so hoch, dass ich fast ebenerdig einsteigen kann. Der Fahrer muss nur nah genug an die Haltestelle fahren. Ich bat ihn also genau das zu tun, aber es sagte, er würde mich nicht mitnehmen. „Wie bitte?“, sagte ich in der Hoffnung, mich verhört zu haben. Ich sagte ihm, es sei sehr spät und er wisse doch, dass die Busse nur noch zwei Mal in der Stunde fahren. Er sagte wieder, er würde mich nicht mitnehmen. Ich erklärte ihm, dass er nur nah genug an die Haltestelle ranfahren solle. Auch die Station vor meiner Haustür sei hochgepflastert. Er meinte, ich habe kein Recht mit seinem Bus zu fahren. Oho, das war mal eine Ansage.
Ich hatte mich vor dem Feierabend noch mit meiner Kollegin aus Südafrika über Apartheid und Diskriminierung unterhalten und musste spontan daran denken. Wir waren uns beide einig, dass man Diskriminierung niemals als gegeben hinnehmen darf. Und wie auf Kommando standen plötzlich zwei Jugendliche neben mir, die perfekte Komparsen in einem Gangsterrappervideo abgegeben hätten. Sie empörten sich über den Busfahrer und halfen mir, die Lücke zwischen Bürgersteig und Bus zu überwinden. Wieder versuchte der Busfahrer, mir zu erklären, dass ich nicht mit seinem Bus fahren dürfe. Da stand ich bereits im Bus! Ich sagte ihm, wenn er das wirklich glaube, soll er doch die Polizei rufen und wir könnten das dann gerne gemeinsam mit der Polizei klären. Andernfalls solle er jetzt losfahren. In Hammersmith laufen ständig Polizisten Streife. Es wäre sehr einfach gewesen, sie herbeizurufen. Ich bin dann nach hinten und beendet war die Diskussion. Eine nette Frau sprach mich an und meinte, das sei unglaublich, wie der Fahrer mich behandelt hätte. Sie sei selber 10 Jahre Bus gefahren. Und auch die anderen Fahrgäste empörten sich. Danach hatte ich keine Angst mehr, zu Hause nicht aus dem Bus zu kommen. Die würden mich schon alle helfen, auch wenn der Fahrer wieder zu weit vom Bürgersteig halten würde.
Als wir bei mir vor dem Haus ankamen hielt der Bus und – siehe da, oh Wunder, oh Wunder – der Fahrer fuhr ohne Murren die Rampe aus. Auf wundersame Weise ging sie plötzlich ohne Probleme.
Ich habe unterdessen gemerkt, dass die Zahl der A…löcher hier wohl ähnlich hoch ist wie überall auf der Welt. Aber die Zahl derer, die sich einmischen, Hilfe anbieten und für einen aufstehen, ist bei weitem höher und das macht solchen Vögeln wie dem Fahrer das Leben gewaltig schwerer und beruhigt mich ungemein. Auch wenn man mal bedenkt, dass ich hier Ausländerin bin und man das auch bei Diskussionen wie diesen sofort an meinem Akzent merkt. Für die Menschen scheint das aber keinen Unterschied zu machen. Ich finde das wirklich bemerkenswert.